Fremdbestimmt (Studie) [Interlock 2]
Finished 2018
Study for a scene for performer and prepared stroh viola (or stroh violin)
duration:
12'
Wenn die Augen Fenster zur Seele sind, ist dann die Stimme ihr Megaphon?
Gehorcht sie ihrem Träger nicht, verliert dieser seine soziale Identität, den Verstand, das Leben, wie im Mythos der Nymphe Echo, die mit einer – wie im griechischen Mythos üblich – von ihrem Vergehen abgeleiteten Götter-Strafe (nämlich dem zwanghaften fragmentarischen Wiederholen der von ihr gehörten Sprache) belegt wird. In ihrem äusserlich lebendigen Körper stirbt sie durch den Verlust der Kontrolle über Ihre Stimme bereits innerlich ab, ehe sie von Hirten in Stücke gerissen und auf der ganzen Erde verstreut wird, um bis heute das Gehörte in die Welt zurück zu rufen.
Der Stimmverlust, den Echo erfährt, trifft sie nicht durch zwanghaftes Schweigen, sondern durch Nicht-Schweigen-Können. Sie muss antworten wann immer sie Sprache hört, doch als Person ist sie am Akt des Sprechens unbeteiligt. Ihr Körper spricht ohne sie. Sie hat keine Stimme mehr.
Eine Stimme zu haben bedeutet, schweigen zu können. Die Stimme bleibt auch im Schweigen potentiell mitteilsam.
Eine Stimme zu haben bedeutet auch mitreden zu können, mitentscheiden zu können, ein Teil eines sozialen und politischen Ganzen zu sein, dessen Bedürfnisse von den anderen anerkannt und respektiert werden. Der Verlust dieser Stimme bedeutet Machtlosigkeit und sozialen Identitätsverlust.
Was passiert in einer Situation, in der eine Person nur dadurch spricht, dass sie sich der Stimme eines anderen bedient, in der ihr Sprechen nichts ist als eine durch gelegentliche Konsonanten unterbrochene parasitäre Fremdnutzung eines von Aussen physisch und körperlich in sie eindringenden Klanges? Oder andersherum ausgedrückt: in der die Bedingung der Möglichkeit einer Äusserung zur Machtfrage gerinnt – wer spricht?